Warum bin ich denn bloß geblieben?
Darüber hast du dir sicher auch schon den Kopf zerbrochen. Und du bist damit nicht allein. Denn alle, die in einer toxischen Beziehung gesteckt haben, haben sich Fragen wie diese gestellt:
Warum habe ich mich immer für alles entschuldigt und versucht, mich zu erklären oder zu rechtfertigen?
Wieso haben ich weiter daran geglaubt, dass sich dieser Mensch oder die Situation irgendwann doch noch ändern wird?
Wieso habe ich ihm alles geglaubt, obwohl ich doch gespürt hatte, dass da etwas nicht stimmt?
Der Grund dafür liegt in deiner Familie, denn du wirst in deiner Kindheit mit Sicherheit bereits toxische Strukturen und Dynamiken kennengelernt haben. Das hat dazu geführt, dass du schon als Kind nicht gelernt hast, gesunde Entscheidungen in deinem Sinne zu treffen, genügend Selbstvertrauen aufzubauen und deinen Gefühlen ruhig zu vertrauen. Toxische Familiendynamiken können sehr subtil sein und sie sind auch nicht immer offensichtlich.
Die gute Nachricht aber ist, dass es einen Weg heraus gibt, der – entgegen den meisten Aussagen von Betroffenen – nicht lang und schmerzhaft sein muss, wenn man ihn gezeigt bekommt und ihn konsequent – einen Schritt nach dem anderen – geht.
Eine toxische Familiendynamik erkennst du daran, dass:
du dich nicht wichtig und nicht gesehen fühlst
Das Gefühl, dass du deine innere Wahrheit nicht zum Ausdruck bringen und leben kannst, kommt daher, dass du dich nicht wertgeschätzt fühlst. Du neigst daher dazu, deine Macht an andere abzugeben und sie für dich entscheiden zu lassen. Scheinbar wählst du daher einen starken Partner, der sich mit der Zeit aber eher als das Gegenteil entpuppt. Wenn dein Partner dann deine Gedanken, Gefühle und Wünsche nicht wahrnimmt oder gar mit Füßen tritt, verstehst du die Welt nicht mehr.
Der Narzisst erschafft sein falsches Selbst, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Diese Version des Selbst fühlt sich einzigartig, überlegen und über alle Maßen wertvoll, so dass es entsprechend angemessen behandelt, gar bedient werden möchte. Wenn du dich dagegen – zu Recht – wehrst, ist das falsche Selbst zutiefst beleidigt und reagiert missbräuchlich.
du bereits selbst Missbrauch erfahren hast
Das Gefühl, dass du deine Grenzen nicht durchzusetzen und einen toxischen Menschen nicht verlassen kannst, kommt daher, dass du bereits selbst auch Missbrauchserfahrungen gemacht hast. Daher wird es dir sehr schwer fallen, jemanden zu verlassen und für dich selbst zu sorgen – selbst wenn du ihn dafür hasst, was er dir antut. Stattdessen versuchst du dem anderen sein falsches Verhalten klar zu machen oder ihn zu einem anderen Verhalten zu bewegen, indem du ihn darauf aufmerksam machst.
Das falsche Selbst des Narzissten sinnt nach Rache für die Verletzungen, die er selbst erfahren hat und projiziert sie auf den Menschen, der ihm am nächsten steht: du. Außerdem geht der Narzisst davon aus, dass du ihn täuscht bzw. früher oder später sowieso täuschen wirst. Daher misstraut er dir zutiefst und versucht immer, die Oberhand zu behalten, indem er dich manipuliert, belügt und mit Hilfe von Gewalt kontrolliert.
du hohe Erwartungen an dich und andere stellst
Das Gefühl, nie gut genug zu sein, kommt daher, dass du als Kind nur bedingt Liebe, also keine bedingungslose Liebe erfahren hast. Du wurdest vielleicht nur für deine Leistung, das entsprechende Verhalten oder dein Aussehen geliebt. Daher bist du heute unglaublich hart zu dir selbst und glaubst, dass du nur liebenswert bist, wenn du etwas erreicht hast, wie gewünscht aussiehst oder dich angepasst verhälst. Um dir die Liebe eines anderen zu verdienen, versuchst daher immer besser, stärker, schöner, etc. zu sein.
Der wahre innere Kritiker im Narzissten, den er um alles in der Welt zu begraben versucht, ist eine unerbittliche Quelle des Selbsthasses. Der Narzisst braucht daher immer wieder narzisstischen Nachschub in Form von Aufmerksamkeit. Ob gut oder schlecht spielt dabei keine Rolle. Nur so bekommt das falsche Selbst genug Bedeutung, um weiter überleben zu können.
du Menschen gefallen und sie ändern oder reparieren möchtest
Das Gefühl, dass du anderen gefallen musst und sie gleichzeitig ändern, reparieren oder gar retten möchtest, kommt daher, dass du selbst missbraucht wurdest. Eventuell hast du auch unter der Depression, psychischen Krankheit, Sucht oder den Stimmungsschwankungen deiner Eltern gelitten und dich dadurch immer verunsichert gefühlt. Da die Situation für dich ständig unberechenbar war, musstest du den anderen in jedem Moment lesen können, um nicht wieder verletzt zu werden. Daher versuchst du auch heute, den anderen zu kontrollieren, um selbst wieder die Kontrolle zu bekommen.
Heilung ist möglich. Doch dafür muss uns klar sein, dass es nie darum gehen kann, den Narzissten oder die Eltern verantwortlich zu machen. Es geht immer nur darum, uns bewusst zu machen, dass die einzige Person, die wir heilen können, wir selbst sind.